Interview mit Dozent und Hobbyromanautor A.B. Exner
Wir führen regelmäßig Interviews mit Personen aus Bereichen wie Politik, Kultur, Wirtschaft oder Wissenschaft, mit Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland und der ganzen Welt.
Das Interesse an Archäologie findet man neben den beruflich Engagierten bei vielerlei Menschen. Bei Musikern, Schriftstellern, Professoren, Handwerkern, Politikern, Freunde der Klassik oder des Heavy Metal. Sie alle eint die Faszination von vergangenen Kulturen und der Geschichte in Ihrer Heimat oder an einem anderen Punkt in der Welt
In dieser Woche führten wir ein Interview mit A.B. Exner zum Thema Archäologisches Landesmuseum in MV.
„Wie bei Korallen ist der Mensch doch gleichsam Erbauer und Bauwerk seiner selbst.“
– A.B. Exner
Andreas Grylla ist tätig als Dozent und Einzelcoach.
Der Wahlrostocker ist engagiert im maritimen Ehrenamt, Hobbytaucher und Autor von Roman- und Kriminalliteratur. Hier agiert er unter dem Synonym A.B. Exner. Aphorismen zu entwickeln und Seminare für Kommunikation, Teambildung, Niveauförderung u.ä. in Teams zu entwerfen, diese dann auch zu dozieren, ist ein weiterer Zweig seines Beschäftigungsfeldes. Er bildet Lehrer oder Meister aus, ebenso wie Fachwirte und gibt Kurse in der Erwachsenenqualifizierung, ist auch frei von Unternehmen buchbar.
Zum Beginn als Lockerungsübung eine umgemünzte Gretchenfrage: Nun sag’, wie hast du’s mit der Archäologie?
Archäologie, eine handwerklich anspruchsvolle Wissenschaft, die ohne Ehrenamt nicht leben kann und die Seelen der Vergangenheit würdigend und auch warnend aufklärend, zu verständlichem Leben erweckt. Eine Aufgabe, vor der ich tiefen Respekt habe. Eine Aufgabe, die wichtig ist für unser aller Zukunft. Meine tiefste Berührung mit dieser Wissenschaft erfolgte im Karlsturm in Aachen bei einer Projektaufgabe und in den Klöstern Lorsch und Buch. Dort war Historie zu atmen.
In Rostock soll in den kommenden Jahren das Archäologische Landesmuseum MV gebaut werden. Grund genug die Möglichkeiten, die solch ein neuer Museumsbau bringt, zu erörtern und Erwartungen und Ideen zu äußern. Was sollte Deiner Meinung nach dort wie gezeigt werden?
Historie lebendig, auch experimentierbar durch die Besucher, unkompliziert darzustellen scheint mir der beste Weg. Rostock als eine der Hauptstädte unseres Landes wird sich würdig erweisen. Ein Weg dahin müssen Kooperationen mit Schulen, Kindergärten und Vereinen sein. Ob es um einen Einbaum, die Erläuterung zur Rostocker „Hundsburg“ oder aber die Zeit der Entwicklung der Hanse ist – es geht nur innovativ lebendig.
Bitte auch unbedingt beleuchten, dass Rostock in den 30-er Jahren der Luftfahrtstandort Deutschlands war – und was dafür gesorgt hat, dass diese Stadt so viele Bomben abbekommen hat. Diese Zeit muss mit bearbeitet werden.
Um konkreter zu werden: Welche Funde sollten im ALM gezeigt werden? Und welche Schwerpunkte sollte die Dauerausstellung haben?
Dazu fehlt mir Wissen mit entsprechender Tiefe auf das Thema bezogen. Selbstverständlich halte ich Funde des Tollensetalkomplexes, die Ergebnisse der Unterwasserarchäologie, aber auch Groß Raden für den normalen Einstieg. Was jedoch ist mit den Bezügen zur Hanse, Mecklenburgs und Vorpommerns Bedeutung durch die vielen, sich kreuzenden Handelswege? Wird kulturhistorisch begleitend die ökonomische Entwicklung mit erörtert? Das erscheint mir wichtig. Reine Archäologie mag interessant sein – für Fachbesucher. Bitte stellen Sie Zusammenhänge her, dann erreichen Sie mehr Menschen. Allein das maritime Erbe bietet eine so bunte Vielfalt in der alle Sinne angesprochen werden können, wie es das wundervolle Marinemuseum im schwedischen Karlskrona zum Beispiel so zauberhaft lebt.
Springen wir vom Inhalt zur Hülle: Wie sollte das neue ALM aussehen?
Wie ein Schiff das etwa zu einem Drittel im Wasser des Stadthafens versinkt. In dem Wasserteil kann in einem begehbaren Tunnel Unterwasserarchäologie dargestellt werden. Mit einer Dachterrasse, auf der im klaren Nächten Schülern der Zusammenhang von Astronomie und beispielhaften Funden anschaulich vermittelt werden kann. Große, klare Flächen nach außen, die Offenheit zeigen und zum Besuch locken. Und bitte eine Fläche, die wie ein Buddelkasten gestaltet, mit Lehmboden gefüllt, zur eigenen Forschung auffordert. Vielleicht finden die Schüler dort ja einen Faustkeil… wer weiß?
Welche bereits existierenden Ideen sollten im ALM unbedingt verwirklicht werden?
Bildung, Bildung, Bildung gekoppelt mit Forschung. Jedoch nie rein auf die Fundstücke bezogen. Gibt es keine Zuordnung zur Zeit, zu den Widrigkeiten des Moments in dem die Artefakte entstanden sind, geht ein Anteil des Verstehens und Erkennens verloren, dann ist nur die Hälfte erreicht. Wechselausstellungen, die Geschichte der Welt unter der speziellen Lupe Mecklenburgs und Vorpommerns sind ein Ansatz.
Wie sollten im ALM archäologische Artefakte präsentiert werden?
Die Erläuterungen zu den Artefakten sind entscheidend für die Anerkenntnis des Publikums. Finden Sie Wege zur Begeisterung der Betrachter. Fertigen Sie Duplikate zum Erwerb in 3D Druckern an. Statische Präsentationen werden statisch begutachtet und bewertet. Lassen Sie Historie leben. Überraschend und alle Sinne bedienend. Auch der olfaktorische Sinn darf eine Rolle spielen.
Gibt es unter den Archäologiemuseen in Deutschland und darüber hinaus Vorbilder für das ALM?
Haithabu und das Bodenseemuseum kenne und schätze ich. Dort gibt es eben nur die Beleuchtung der spezifischen Zeit. In Rostock darf keine Überfrachtung stattfinden. Wenn es wandelnde Ausstellungen gibt, die sich an einem Zeitstrahl orientieren, ist das vielleicht ein Ansatz. Doch, um diese Frage zu beantworten, gibt es sicherlich fachlich versierteres Personal als mich.
Unabhängig von Rostock und MV, was sollte ein Archäologisches Landesmuseum generell zeigen? Und was eher nicht?
Die Kopplung von Umständen der Zeit des Fundes und des kulturellen und technologischen Zusammenhanges kann glasklar darstellen, dass Vielfalt und Austausch ein wichtiger Ansatz für solidarisches Denken sind. Gerade in den aktuellen Zeiten gibt es auch einen eindeutigen politischen Auftrag. Multikultur ist Austausch. Austausch ist Vielfalt.
Ohne dieses Denken gibt es Krieg. Und die Kriege müssen selbstredend Bestandteil sein.
Hier denke ich auch an Außenstandorte an neuralgischen Punkten der Historie unserer Heimat.
Die Neuzeit gehört für mich dazu.
An wen sollte sich das ALM richten? Welche Besuchergruppe verdient besondere Aufmerksamkeit und darf nicht vergessen werden?
Hier bitte komplette Offenheit. Kooperationen, auch als Unterrichtsbestandteil, halte ich für wichtig. Diese mit Schulen auch in anderen Ostseeländern. Nur wenn Historie verstanden wird, lässt sich aus ihr lernen.
Was sollte das ALM in Rostock einzigartig machen?
Die virtuelle Lebendigkeit, der Zugang für alle interessierten Menschen. Vermittlung erläuternd ohne erhobenen Zeigefinger. Mein Traum ist ein Archäologiebus, der betreut von Studierenden durch unser Land fährt, um an Schulen Unterricht zu begleiten der sich mit dem Wohnort der Schüler befasst. Gleichwohl jedoch auch eine Internationalität durch zielgerichtete Partnerschaften.
Bestehen schon Kontakte zu Rostocks Partnerstädten?
Persönlich:
Lernt aus der Vergangenheit! Wirkliches Wissen kann nicht mehr durch Mutmaßungen ersetzt werden.
Vieles fehlt noch in unserem Bundesland – für den Bildungsstandort MV, ist ein ALM meiner Meinung nach eine der zu priorisierenden Aufgaben.
Bei einer 3D Vermessung eines Einbaumes in Schwerin schnupperte ich vor 17 Jahren das Odeur der Geschichte der Heimat. Wochen später erfuhr ich, dass der Einbaum durch verkehrte Wiedereinlagerung komplett zerstört worden ist. Das machte mich traurig. Ein wertvolles Artefakt ging verloren. In einem professionellen ALM würde so etwas nicht passieren, auch deshalb meine Einschätzung: Werte Verantwortliche in Schwerin – es ist an der Zeit, für sichtbare Vergangenheit in Mecklenburg-Vorpommern.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Andreas Grylla.