Interview mit Norbert Kuhlmann – Archäologe und ehemaliger Mitarbeiter im LAKD M-V
Wir führen regelmäßig Interviews mit Personen aus vielen, verschiedenen Bereichen aus Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland und der Welt. Das Interesse an Archäologie findet man neben den beruflich Engagierten bei vielerlei Menschen. Bei Musikern, Schriftstellern, Professoren, Handwerkern, Politikern, Freunde der Klassik oder des Heavy Metal. Sie alle eint die Faszination von vergangenen Kulturen und der Geschichte in Ihrer Heimat oder an einem anderen Punkt in der Welt
In dieser Woche führten wir ein Interview mit Norbert Kuhlmann zum Thema Archäologisches Landesmuseum in MV.
„Mecklenburg-Vorpommern hat mit dem Museumsneubau eine riesige Chance. Ich hoffe immer noch, dass die Verantwortlichen das begreifen“
– Norbert Kuhlmann
Norbert Kuhlmann arbeitet seit 1993 als Ausgräber in Mecklenburg-Vorpommern und ist zudem sehr engagiert im Freundeskreis, den er mit großer Fachkompetenz unterstützt. Bis vor kurzem war er drittmittelfinanzierter Angestellter des LAKD-M-V. Jetzt arbeitet er zusammen mit einigen Kollegen am Aufbau der Grabungsfirma Archäologie in M-V GmbH. Er hat sich ganz dem Außendienst verschrieben und bei zahllosen Grabungen dafür gesorgt, dass dem Land neben großen und kleinen Funden auch diverse Erkenntnisse grade zur Siedlungsarchäologie aller Epochen erhalten blieben.
Zum Beginn als Lockerungsübung eine umgemünzte Gretchenfrage: Nun sag’, wie hast du’s mit der Archäologie?
Dazu gekommen bin ich über kaiserzeitliche Funde, die beim Neubau unseres Hauses 1973 gemacht wurden. Damals war ich 12 Jahre alt. Seither bestand Interesse für das Thema, und ich beschloss, es zu meinem Beruf zu machen. Diesen Schritt habe ich trotz aller Schwierigkeiten nie bereut!
In Rostock soll in den kommenden Jahren das Archäologische Landesmuseum MV gebaut werden. Grund genug die Möglichkeiten, die solch ein neuer Museumsbau bringt, zu erörtern und Erwartungen und Ideen zu äußern. Was sollte Deiner Meinung nach dort wie gezeigt werden?
Es wäre schon wichtig, hier endlich zu den anderen Bundesländern aufzuschließen. Ich persönlich bin konzeptionell eher konservativ und sehe als Gerüst eines Landesmuseums immer noch die klassische Darstellung der Landesgeschichte von der Steinzeit bis ins zur Neuzeit, gegliedert nach Epochen. Zumindest meine Generation ist das so gewohnt. Dazu ergänzend Einzel- und Sonderausstellungen, im Außenbereich auch Veranstaltungen zur experimentellen Archäologie u.ä.
Anbieten würde sich eventuell ein Kontakt zu aktuellen Grabungen, z.B. über kleinere, zeitlich begrenzte Außenstellen (Dierkow z.B. wäre in der Nähe). Auch Fundplätze wie der im Tollensetal müssten eigentlich ein eigenes Museum bekommen.
Um konkreter zu werden: Welche Funde sollten im ALM gezeigt werden? Und welche Schwerpunkte sollte die Dauerausstellung haben?
Konkrete Funde, aus der Fülle der überregional bedeutenden Funde herauszupicken, ist fast unmöglich. Ich persönlich bin für eine Auswahl, der im Alltag wichtigen Gegenstände wie typische Keramiken, Werkzeuge und Waffen. Die Ausgrabungen der letzten Jahre haben da umfangreiches Material geliefert, welches der Öffentlichkeit wenn überhaupt nur aus den Kurzen Fundberichten bekannt ist. Dazu dann die bekannten Altfunde, wie zum Beispiel der Wagen von Peckatel oder das Hiddenseegold. Diese aber bitte immer im historischen Zusammenhang!
Die Themen der Sonderausstellungen können durchaus variieren. Auch hier bieten sich aktuelle, neue Grabungen mit entsprechenden Befunden und Funden als Basis an. Die Themen können anderseits auch aktuellen Zeitströmungen angepasst werden. Da gibt es diverse Möglichkeiten.
Springen wir vom Inhalt zur Hülle: Wie sollte das neue ALM aussehen?
Möglichst nicht nur Beton, Glas und Stahl! Ein Einpassen in die Umgebung wäre m. E. sehr wünschenswert!
Welche bereits existierenden Ideen sollten im ALM unbedingt verwirklicht werden?
Ich muss gestehen, dass mir zu dieser Frage nicht viel einfällt. Relativ beeindruckend fand ich zum Beispiel die begehbaren Dioramen im Hansemuseum in Lübeck, wo mit Projektionen, Geräuschen ect. versucht wird, die Atmosphäre der Zeit einzufangen. Ähnliches wurde in kleinem Rahmen beim „Blutigen Gold“ versucht. Das wäre so in meinem Sinne, wenn es gut gemacht ist. Allerdings verringert sich der Effekt massiv, wenn das Museum voll ist.
Wie sollten im ALM archäologische Artefakte präsentiert werden?
Hier bieten sich neben dem klassischen „Funde zeigen“ ja diverse Möglichkeiten durch Filme, Computeranimationen oder Hologramme. Ehrlich gesagt überblicke ich da die Möglichkeiten eher laienhaft, aber ich denke, dass grade dieser Bereich bei der Konzeption nicht zu kurz kommen wird. Ich hoffe jedoch auch, es wird nicht übertrieben. Man muss m. E. nicht alles machen, nur weil es grade „in“ ist.
Gibt es unter den Archäologiemuseen in Deutschland und darüber hinaus Vorbilder für das ALM?
Das letzte Landesmuseum, das ich gesehen habe war das in Halle. Und das ist auch schon ein paar Jahre her. Ich bin da also nicht wirklich auf dem neuesten Stand. Moesgard soll sehr gut sein, kenne ich aber nur vom Hörensagen.
Unabhängig von Rostock und MV, was sollte ein Archäologisches Landesmuseum generell zeigen? Und was eher nicht?
Wie der Name schon sagt liegt der Schwerpunkt auf der Landesgeschichte, ist also eher regional als überregional definiert. Trotzdem muss man die Funde und Befunde in die großen Zusammenhänge der jeweiligen Epochen einhängen und diese auch für jedermann verständlich darstellen bzw. erläutern. Als Küstenland bietet sich M-V immer mit dem Bezug zur See an.
Etwas problematisch sehe ich die Einbeziehung der „jüngsten Neuzeit“ in die Archäologie. Es stellt sich da für mich die Frage, was bei der Fülle des Materials „museal wertvoll“ ist und was nicht. Dies ist übrigens eine Frage, die sich durch alle Epochen hindurch stellt!
An wen sollte sich das ALM richten? Welche Besuchergruppe verdient besondere Aufmerksamkeit und darf nicht vergessen werden?
Museen sollten grundsätzlich für Alle da sein. Das Interesse an Geschichte ist aber nicht gleichmäßig verteilt. Auch die Vorstellung, wie diese zu präsentieren ist, wird in den unterschiedlichen Alters- und Bevölkerungsgruppen durchaus unterschiedlich gesehen. Man kann es da nicht allen recht machen. Wichtig sind m. E. zum einen die „wirklich Interessierten“, denen man durchaus auch detailliertere Informationen zukommen lassen sollte, sowie als zweite Gruppe Kinder und Jugendliche, die ich gerne für das Thema begeistern würde. Das ist aber ein ziemlicher Spagat für die Planer, da es schwer ist, diese Gruppen unter einen Hut zu kriegen.
Was sollte das ALM in Rostock einzigartig machen?
Das Museum ist schon durch seine Lage etwas Einmaliges in Deutschland. Eine geschickte Ausnutzung dieses „Standortvorteiles“ würde sich anbieten. Ansonsten hängt sehr viel von den zur Verfügung stehenden Mitteln ab. Ich hoffe sehr, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist bzw. dass es gelingen wird, weitere Geldquellen zu erschließen. Nur dann kann es gelingen, in Rostock einen Komplex zu schaffen, der über die Grenzen des Bundeslandes hinaus bekannt wird und der dann auch in der Lage ist, als Tourismusmagnet zu wirken. Ein Billigmuseum zu errichten, um das Thema endlich vom Tisch zu bekommen, wäre zwar auch einzigartig, aber sicher der falsche Weg.
Persönlich:
Es wird jetzt einfach Zeit, dass ein gutes archäologisches Landesmuseum kommt. Ich fürchte aber, dass der Weg dahin noch sehr weit ist. Es gibt da noch viel zu tun….
Das Interview führten wir am 11.4.2021.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Norbert Kuhlmann.